Autofreie Stadt

Auf in die Zukunft

 

Muskelkraft oder Schrittgeschwindigkeit

Das wäre der erste Schritt zu einer menschengerechten Stadt. Notfallfahrzeuge und öffentlicher Nahverkehr unterliegen natürlich anderen Rahmenbedingungen, aber wenn aller Individualverkehr diesen Vorgaben folgte, wären zumindest den krassesten Auswüchsen des städtischen Verkehrs die Spitze genommen. Kinder könnten wieder auf den Straßen spielen und Erwachsenen wäre der öffentliche Raum als Begegnungsort zurückgegeben.

Mit Muskelkraft betriebene Fahrzeuge können gar nicht die Geschwindigkeit und Masse aufbringen, um eine große Gefahr zu sein. Natürlich müssen sich Fahrräder und Rollerskater an bestimmte Wege und Vorgaben halten, um andere nicht übermäßig zu gefährden, aber selbst der schlimmste Fahrradunfall ist nicht mit einem Autounfall zu vergleichen. Ganz abgesehen davon, dass die wenigsten Fahrradfahrer überhaupt in der Lage sind, gefährliche Geschwindigkeit erreichen.

Was allerdings nicht funktionieren wird, ist zu hoffen, dass sich Auto- und Motorradfahrer von selbst an Geschwindigkeitsvorgaben halten. Die Erfahrungen der letzten 50 Jahre haben gezeigt, dass sie nicht in der Lage sind, ihre Geschwindigkeit den Umständen oder Geschwindigkeitsbegrenzungen anzupassen.

In Berlin wurde jüngst der Erfolg einer Verkehrsberuhigung gefeiert, weil die Durchschnittsgeschwindigkeit von 70 km/h (bei erlaubten 50) auf durchschnittliche 50 km/h (bei erlaubten 30) gesunken war. Selbst vor Schulen und in Wohngebieten wird oft mit der doppelten der erlaubten Geschwindigkeit gerast. In Spielstraßen, wo Schrittgeschwindigkeit tatsächlich gilt, ist es noch extremer. Interessanterweise betrifft das sogar die Anwohner, die damit nur die eigenen Kinder und Nachbarn gefährden. Der Rausch der nicht selbst erarbeiteten Geschwindigkeit ist einfach größer.

Das mag kleinlich klingen, aber die Bewegungsenergie und damit der Bremsweg und die zerstörerische Kraft bei Unfällen steigt nunmal mit dem Quadrat der Geschwindigkeit. Reifen- und Luftgeräusche, die bei höheren Geschwindigkeiten weit mehr Lärm verursachen als der Motor, steigen sogar mit der vier- bis sechsfachen Potenz. Bei doppelter Geschwindigkeit steigt der Bremsweg also um mehr als das vierfache, der Lärm um das sechzehnfache!

Nur beim Autofahren wird das ständige Brechen von Gesetzen und Vorgaben unter dauernder Gefährdung von anderen so toleriert und noch unterstützt. Geschwindigkeitskontrollen gelten als "Abzocke" und Politiker - selbst in der Regel alternde Männer und überzeugte Autofahrer - unterstützen diese Sichtweise oft noch.