Autofreie Stadt

Auf in die Zukunft

 

Wer Straßen sät wird Verkehr ernten

In der Verkehrsplanung wird die Regel "Angebot schafft Nachfrage" normalerweise völlig unterschätzt. Für viele Planer scheint die Nachfrage nach Verkehrswegen, also die Anzahl von Fußgängern, Radfahrern und Autofahrern, eine unabhängige Größe zu sein. Diese Nachfrage müsse nur mit einem entsprechenden Angebot an Straßen und Fahrradwegen befriedigt werden.

Ständige Staus auf der Straße könnten nach dieser Theorie durch den Bau neuer, größerer Straßen gelöst werden. Wenn die neuen Straßen dann wieder gestaut sind, scheint sich die Nachfrage wieder erhöht zu haben und neue Straßen sind notwendig. Unterstützt wird diese Theorie von der herrschenden Meinung in den Wirtschaftswissenschaften, die davon ausgeht, dass Menschen feste Vorlieben haben und diese - soweit finanzierbar - umsetzen.

In der Realität ist das Gegenteil der Fall: wenn eine gestaute Straße verkleinert wird, wie 1993 die Münchner Donnersbergerbrücke wegen Bauarbeiten,fließt der Verkehr sogar flüssiger, denn die meisten Autofahrer steigen einfach auf alternative Verkehrsmittel um. Wenn dagegen eine Straße vergrößert wird, vervielfacht sich der durchfließende Verkehr, bis die Straße wieder verstopft ist.

Gestützt wird das zum Beispiel von Untersuchungen des deutschen Psychologen Gerd Gigerenzer. Er geht davon aus, dass viele Entscheidungen, die wir als Menschen treffen, von unterbewussten Entscheidungsprozessen gefällt werden. Dazu benutzen wir Heuristiken, also Daumenregeln, die wir ohne es zu merken ständig entwickeln und mit der Realität abgleichen.

Eine sehr wichtige dieser Daumenregeln ist "Weiche nicht von der Vorgabe ab". Solange es keinen zwingenden Grund gibt oder man nicht bewusst über die gesellschaftliche Vorgabe reflektiert, wird man einfach das machen, was alle machen. Ein Beispiel von Gigerenzer ist die Organspende: nur 4,3% der Deutschen würden ihre Organe im Todesfall spenden, dagegen 99,9% der Österreicher.

Die Erklärung: in Österreich ist die Zustimmung zur Organentnahme gesetzliche Vorgabe, in Deutschland das Gegenteil. Jeder kann sich zwar kostenfrei und ohne großen Aufwand umentscheiden, die weitaus größte Mehrheit tut das aber nicht.

Nach der wirtschaftlichen Theorie müßte jeder eine feste Meinung zu dem Thema haben und wenn die Vorgabe nicht der eigenen Meinung entspricht, entscheidet man sich eben bewußt. Das passiert aber nicht, weil die Vorgabe auch Einfluß auf die eigene Meinung hat: wenn es Gesetz ist, wird das schon so seine Richtigkeit haben.

Das bedeutet, je mehr Fahrradwege es gibt, desto mehr Menschen fahren Fahrrad. Je mehr Straßen es gibt und je zugeparkter die Bürgersteige, desto mehr Menschen fahren Auto. Schließlich machen das ja alle...